Das schlichte Haus in der Osterstraße 27 wurde Eickhoff’sches Haus genannt. Nachdem der Wirt August Kirchhoff es gekauft hatte, ließ er es 1899 abreißen, um ein modernes Hotel zu bauen. Dabei zeigte sich, dass die Hausnummern 27 und 28 („Rattenfängerhaus“) eine gemeinsame Hauswand hatten. Beim Abbruch fanden die Bauleute an dieser Wand Schriftstücke, die ihnen merkwürdig vorkamen: Ein Teil war in deutscher, ein Teil in hebräischer Schrift geschrieben. Die mehr als 100 Jahre alten Briefe wurden dem erst kurz vorher gegründeten Museumsverein übergeben.
1981 wurde das Rattenfängerhaus im Rahmen der Altstadtsanierung modernisiert. Wiederum fand sich an der Wand zum Nachbarhaus ein hebräisch geschriebener Brief, unter den Dielen außerdem – neben einer Flasche altem Wein – ein hebräisches Gebetbuch.
Das imposante, renaissancezeitliche Gebäude hatte zwischen 1768 und 1801 dem Kaufmann Hertz Joseph gehört (um 1716-1803). Er war um 1751 nach Hameln gekommen. Wenige Details sind über seine hiesigen wirtschaftlichen Aktivitäten bekannt: Joseph handelte auf den Hamelner Jahrmärkten – hier war Juden keine Beschränkung des Sortiments auferlegt –, er verkaufte Pferde und Viehfutter, und er stellte große und kleine Kredite zur Verfügung.
Gefunden wurden in seinem Haus sieben deutschsprachige Briefe, ein Passierschein, eine hebräisch geschriebene, jiddische Quittung und 13 ebensolche Briefe. Nicht alle Briefe haben ein lesbares Adressfeld. Als Adressaten lassen sich aber Hertz Joseph, sein Vater und eine Verwandte namens „Gutle“ identifizieren.
Für die neue Dauerausstellung des Museums wurden die Schriftstücke durch den Jiddisten Holger Nath erstmals transkribiert. Die Texte schildern Ereignisse wie Geburten und Eheschließungen aus dem familiären Umfeld, aber auch den Verlauf von Geschäften. Etwas ganz Besonderes ist der Brief, den Bela Hamm an ihren Verlobten Hertz Joseph schreibt. Sie schildert ihm die Qualen der Verliebtheit, die sie erleidet, weil er nach Detmold gefahren ist.