Für Oberbürgermeister Claudio Griese ist es eine skurrile Situation: Er soll einen Finanzdezernenten zur Seite gestellt bekommen, den er nicht braucht – und den er auch nicht möchte. Beantragt hat diese Stelle die rot-grüne Mehrheitsgruppe im Rat. „Mit mir hat niemand darüber gesprochen“, wundert sich der Rathauschef und schiebt hinterher: „Den Bedarf für diese neue Stelle sehen wir in der Verwaltung nicht.“ Im Gegenteil, durch einen weiteren Dezernenten würden neue Hierarchien geschaffen und Abläufe erschwert. Rot-Grün streue damit „bewusst Sand ins Getriebe“.
Der Antrag von SPD und Grünen war am Mittwoch auf den Tisch im Rathaus geflattert. Die Mehrheitsgruppe fordert, die Stelle eines Dezernenten für Finanzen, Personal und Wirtschaft im Stellenplan zu verankern und auszuschreiben. OB Griese rechnet vor: Auf acht Jahre hochgerechnet (so lange würde die Amtszeit des neuen Dezernenten dauern) summieren sich die zusätzlichen Personalkosten auf 840.000 Euro. Hinzu kommen die Kosten einer Vorzimmerkraft – nochmal 440.000 Euro innerhalb von acht Jahren. „Unterm Strich stehen Mehrkosten von annähernd 1,3 Millionen Euro“, sagt Griese. Dabei seien die Kosten für zukünftige Pensionszahlungen an den Dezernenten nicht mitgerechnet.
„Fassungslosigkeit und völliges Unverständnis“ – so beschreibt der Oberbürgermeister die Stimmung auf den Fluren des Rathauses angesichts des Antrags von Rot-Grün. Alle, die sich bisher um die Finanzen der Stadt gekümmert haben, fühlten sich durch das Vorgehen der Mehrheitsgruppe vor den Kopf gestoßen. Seitens der Akteure von SPD und Grünen sei eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Verwaltung offenbar nicht gewünscht, mutmaßt Griese.
Dabei hat die Stadt nach den Worten des Rathauschefs derzeit ganz andere Probleme: „Wir arbeiten hart daran, das Tagesgeschäft zu schaffen.“ Da der Arbeitsumfang stark gestiegen sei, gebe es einen Mehrbedarf an Stellen. „Wir brauchen dringend Fachkräfte und Ingenieure“, betont Griese. „Aber wir brauchen keinen Wasserkopf in Form eines neuen Finanzdezernenten.“
Der Finanzbereich sei derzeit „personell hervorragend aufgestellt“. Der Abteilungsleiter bilde mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein „funktionierendes, leistungsfähiges und engagiertes Team“, unterstreicht der Oberbürgermeister. Darüber stehe mit Matthias Struckmeyer ein Fachbereichsleiter, der ebenfalls umfangreiche Erfahrungen im Finanzwesen mitbringe.
Grundsätzlich sei es immer möglich, im Verwaltungsaufbau auf ein Dezernentenmodell zu setzen, räumt der OB ein. Die Stadt Hameln habe jedoch vor einigen Jahren mit Zustimmung des Rates bewusst einen anderen Weg gewählt und freigewordene Fachbereichsleiterstellen wieder mit neuen Kräften besetzt. Griese: „Dieses Modell nun zu sprengen und eine weitere Hierarchiestufe einzuführen, wäre ein Fiasko für den Steuerzahler.“