Der Blick in die Hamelner Innenstadt könnte nicht trostloser sein: Läden haben geschlossen, Restaurants und Cafés sind verwaist. Und die Sorge, dass einige Geschäfte und Gastronomiebetriebe den Lockdown nicht überstehen, ist groß. Oberbürgermeister Claudio Griese will sich mit aller Kraft gegen die Krise stemmen. Er hat dazu ein Strategiepapier vorgelegt, das von den Teilnehmern eines kurzfristig anberaumten virtuellen „Innenstadt-Gipfels“ einhellig unterstützt wird. Nun hat die Politik das Wort.
Die Liste der Institutionen, die Griese zu der Videokonferenz eingeladen hatte, ist lang: Vertreter des Handelsverbandes, der Industrie- und Handelskammer (IHK), des Arbeitgeberverbandes AdU, des Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) und des Stadtmarketingvereins waren ebenso dabei wie die Wirtschaftsjunioren, die Sparkasse Hameln-Weserbergland, die Volksbank Hameln-Stadthagen, das Centermanagement der Stadt-Galerie und die Hameln Marketing und Tourismus GmbH (HMT).
Und die Teilnehmer des Spitzengesprächs waren sich einig: „Die Innenstadt ist das Herzstück Hamelns und der Region. […] Deshalb ist es das Interesse aller Beteiligten, nach dem Ende der pandemiebedingten Beschränkungen für eine Wiederbelebung zu sorgen“, heißt es in einer Erklärung. Ziel sei es, dem bundesweiten Trend zur Verödung der Innenstädte in Hameln geschlossen entgegenzutreten.
Wie das gehen soll, hat Rathauschef Claudio Griese in seinem Strategiepapier formuliert. Die wichtigsten Punkte:
„Kultur XXL jetzt in Hameln“: Unter diesem Motto steht ein bunter Veranstaltungssommer an zentralen Plätzen und Orten in der gesamten Innenstadt – mit Kleinkunst, Tanz, Musik und Straßentheater. Zusätzlich soll die Hochzeitshausterrasse in den Sommermonaten die Bühne für ehrenamtlich Engagierte aus dem Sport-, Kultur- und Sozialbereich sein. Das Museum lockt bis zum 19. September mit freiem Eintritt.
Leerstehende Ladenlokale anmieten: Die Wirtschaftsförderung der Stadt arbeitet bereits an einem Konzept, nach dem Ladenflächen zu ermäßigten Konditionen bzw. kostenfrei an interessierte Einzelhändler weitervermietet werden können. Auch Pop-up-Stores und kulturelle Projekte könnten – wie vom Rat gewünscht – in den von der Stadt angemieteten Leerständen ihren Platz finden.
„Gast in der eigenen Stadt“: Die Gastronomiebetriebe wollen nach der Wiedereröffnung bis zum 30. September allen Gästen, die ein Hauptgericht bestellen, ein kostenfreies Getränk anbieten. In Bierkneipen gilt, dass Gäste bei der Bestellung eines Getränks ein Gratis-Getränk zusätzlich erhalten. Ab 1. Oktober startet dann die Aktion „Suppe mit Sinn“. Dabei spenden die Gastronomen für jedes verkaufte Hauptgericht einen Euro an karitative Einrichtungen. Beide Aktionen sind mit dem DEHOGA-Vorstand abgestimmt.
Mehr Außengastronomie: Die Stadt möchte den Betrieben wie im vergangenen Sommer die Möglichkeit bieten, mehr Tische und Stühle aufzustellen. Außerdem will die Stadt auf Gebühren für die Sondernutzung öffentlicher Flächen verzichten.
Platz für Schausteller: Um die Innenstadt attraktiver zu machen, will die Verwaltung bestimmte Flächen an Schausteller vergeben. Dabei denkt die Stadt an Fahrgeschäfte und Stände mit Süßwaren.
Neue Veranstaltungen: Die HMT soll gemeinsam mit den Teilnehmern des Spitzengesprächs Konzepte für neue Formate entwickeln. Beispiele: ein „Blumen- und Pflanzenmarkt“ oder eine „Gastromeile“.
Pop-up-Spielplatz: Bewegung und Spaß für Kinder und Jugendliche stehen bei dieser Aktion im Mittelpunkt. Die Angebote könnten u. a. von Vertretern der heimischen Sportvereine betreut werden, die damit gleichzeitig die Chance erhalten, Nachwuchs zu gewinnen.
Größerer Weihnachtsmarkt: Der Budenzauber könnte bei Bedarf bereits in diesem Jahr um zusätzliche Flächen für andere Formate erweitert und damit noch attraktiver werden.
Für OB Griese ist klar, dass es sich bei allen Punkten bislang lediglich um ein Grobkonzept handelt. Viele Gespräche müssten noch geführt, Akteure eingebunden und Projekte detailliert geplant werden. Alle Programmpunkte stünden zudem unter dem Vorbehalt, dass man die ab Frühjahr bzw. Sommer geltenden Hygiene- und Schutzvorschriften berücksichtigen müsse. „Es ist nicht sicher, dass alles, was wir planen, auch tatsächlich so stattfinden kann“, schränkt Griese ein.
Bereits jetzt hat sich der Oberbürgermeister mehrere Projekte für das kommende Jahr bzw. die Folgejahre auf die Fahnen geschrieben. So will die Verwaltung im Rahmen der Städtebauförderung ein Sonderprogramm zur Modernisierung von Ladenlokalen auflegen. Ebenso geplant: ein verstärktes Leerstandsmanagement durch die HMT und die Wirtschaftsförderung der Stadt. Die für dieses Jahr entwickelten Kulturkonzepte sollen in eine neue Kulturstrategie für die Innenstadt münden; ein wichtiger Baustein könnte ein „Rattenfänger-Festival“ sein.
Griese selbst bewertet das Gesamtpaket als „äußerst ambitioniert und herausfordernd“. Jetzt ist die Ratspolitik gefragt, die sich nach Angaben aus dem Rathaus im Rahmen eines Runden Tisches bereits positiv geäußert hat. Die weiteren Details werde die Verwaltung nun mit den Fraktionsspitzen diskutieren.
Anbei finden Sie das vollständige Eckpunktepapier als Download (PDF).
Der Innenstadt-Plan: Fünf Fragen und Antworten
In der Geschichte Hamelns hat es ein so groß angelegtes Innenstadt-Programm bislang noch nicht gegeben, sagt die Verwaltung. Wir wollten wissen, wie die Stadt das Programm finanzieren will und ob das Ganze mehr ist als nur ein Strohfeuer.
Wie teuer sind die Projekte und wie will die Stadt das alles bezahlen?
Das Rathaus kalkuliert nach eigenen Angaben mit einem Betrag in Höhe von „mehr als einer Million Euro“. Laut OB Griese sei nun die Unterstützung des Rates erforderlich, der die Finanzmittel bereitstellen müsste. Dabei könne man zumindest zum Teil auf Restmittel aus den Hilfspaketen des vergangenen Jahres zurückgreifen.
Wird die Politik diesen Weg mitgehen?
Nach Einschätzung von Rathauschef Claudio Griese befinden sich Einzelhandel und Gastronomie in einer existenziellen Notsituation. Und nicht nur sie – auch für die Innenstadt insgesamt zeichne sich eine dramatische Entwicklung ab. Aufgabe von Rat und Verwaltung sei es daher, gegenzusteuern und schnell zu handeln. Griese: „Ich bin sicher, dass die Ratspolitik dies genauso sieht.“
Es ist eine Menge geplant – nach dem Motto „viel hilft viel“. Wird das Rad überdreht?
„Ganz gewiss nicht“, sagt Griese. Die Stadt könne gar nicht genug tun, damit Hameln auch künftig die Einkaufsstadt im Weserbergland, der Mittelpunkt gastronomischer Angebote und die touristische Destination in unserer Region bleibe. „Wir müssen das große Rad drehen, sonst wären die Folgen für die Stadt als Ganzes am Ende nicht mehr beherrschbar“, befürchtet der Oberbürgermeister.
Handelt es sich möglicherweise nur um ein Strohfeuer, das schnell wieder verpufft?
Tatsächlich gibt es nach Angaben aus dem Rathaus mehrere Projekte, die auch auf den kurzfristigen Effekt zielen. Aber: „Diesen Effekt braucht unsere Innenstadt gerade in diesem Jahr“, betont Griese. Andere Projekte seien langfristig und nachhaltig angelegt. Dazu gehörten ein verstärktes Leerstandsmanagement, die Modernisierung von Ladenlokalen und eine Kulturstrategie für die Innenstadt.
Wird die Stadt von Bund und Land allein gelassen?
Das Rathaus setzt auf Unterstützung aus der Städtebauförderung und hofft darauf, dass auch Fördergelder für die Anmietung leerstehender Ladenlokale fließen. Alle Teilnehmer des „Innenstadt-Gipfels“ waren sich jedoch einig: Weitere Hilfen für die Städte, also auch für Hameln, seien dringend nötig.